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Astrologie und Transaktionsanalyse

Die strukturbildende Funktion von Neptun und Uranus

Die Astrologie hat Anfang dieses Jahrhunderts eine Wendung nach innen gemacht, weg von der Ereignisorientierung und hin zur Psychologisierung der astrologischen Konstellationen. Für diese Entwicklung stehen Namen wie Freiherr von Klöckler, Thomas Ring, Reinhold Ebertin, Fritz Riemann und andere. Mit dieser kopernikanischen Wende fand die Astrologie Zugang zu psychologischen Schulen (vor allem zur Psychologie C. G. Jungs) und konnte außerdem in ihrer Beratung dem Freiheitsbedürfnis des modernen Menschen Rechnung tragen.

Die Anleihen bei psychologischen Schulen wirkten sich bei den Astrologen auf zweierlei Weise aus:

Bis zum heutigen Tag gibt es aber meines Wissens außer Ansätzen noch keine anerkannte Lehre, die psychopathologische Strukturen direkt mit astrologischen Konstellationen des Horoskops in Verbindung bringt. Das bedeutet, daß Astrologen z.B. immer noch einzelne Spannungsaspekte im Horskop isoliert interpretieren, ohne daß ihnen übergreifende Strukturmuster für eine ganzheitliche Zusammenschau zur Verfügung stehen, die sie aus dem Horoskop selbst ableiten.

Wenn die Psychologie aber solche Strukturmuster bereithält, dann muß es dafür auch im Horoskop Ansätze geben, und die Astrologie muß sie entdecken, sonst bleibt sie bei ihrer Entwicklung zur Psychologisierung auf halbem Weg stehen. Die oft nicht nur von Astrologie-Schülern beklagte Problematik, wie denn aus der Vielzahl der astrologischen Details ein schlüssiges Gesamtbild der Persönlichkeit entstehen soll, hat hier ihre Ursache.

Meine Gestalt-Astrologie versucht nun dieses Problem zu lösen. Sie verbindet die Astrologie unmittelbar mit modernen psychologischen Konzepten, vor allem mit denen der Transaktionsanalyse. Außerdem bekennt sie sich zur christlichen Religion als weltanschaulichem Hintergrund. Dabei wird einerseits die Transaktionsanalyse in wichtigen Punkten verändert. Andererseits bekommt aber auch die Psychologische Astrologie ein ganz neues Fundament.

I. Was ist Transaktionsanalyse?

Die von Eric Berne vor etwa 50 Jahren begründete Transaktionsanalyse (TA) steht in der Tradition der Tiefenpsychologie. Es ist ihr aber in amerikanisch-pragmatischer Art gelungen, die schwierigen und abstrakten Konzepte der Tiefenpsychologie in vorstellbare und handhabbare Modelle zu übersetzen. Das läßt sich sehr gut am Konzept der "Ich-Zustände" zeigen:

Nach der Vorstellung der TA spiegeln sich die frühkindlichen Erfahrungen mit der elterlichen Erziehung in vier "Ich-Zuständen": dem angepaßten Kind-Ich, dem fürsorglichen Eltern-Ich, dem kritischen Eltern-Ich und dem freien Kind-Ich. Die Ich-Zustände können sowohl positiv (realitätsbezogen) als auch negativ (übertrieben bzw. untertrieben) gelebt werden. Sie beschreiben Erfahrungen, die Menschen mit sich selbst machen können, nämlich die, daß sie in bestimmten Situationen in ihrem "Denken, Fühlen und Handeln" alte Verhaltensmuster aus ihrer Kindheit wiederholen. Manchmal verhalten sich erwachsene Menschen eben so, als wären sie wieder das kleine Mädchen oder der kleine Junge von früher, manchmal schlüpfen sie auch in die Verhaltensweisen, die sie damals bei Vater oder Mutter erlebt haben.

Diese Muster müssen nun nach Ansicht der TA mit dem Erwachsenen-Ich verbunden werden, das den fünften Ich-Zustand darstellt, der aber ebenfalls bereits im Elternhaus vorgeprägt worden ist. Das Erwachsenen-Ich besitzt die Fähigkeit, sich selbst und die Welt in einer sachlich-nüchternen Weise im Hier und Jetzt zu betrachten und fordert seinen Träger dazu auf, sich entsprechend realistisch zu verhalten. Es kann aber auch durch Einflüsse aus den Kind-Ich-Zuständen bzw. Eltern-Ich-Zuständen entweder in seiner Einsichtsfähigkeit getrübt (Neurose) oder sogar ganz ausgelöscht werden (Psychose).

Der Mensch besitzt also nach Ansicht der TA drei Grundreaktionsmuster, mit denen er die unterschiedlichen Lebenssituationen bewältigen kann:

Obwohl alle Ich-Zustände auch negativ gelebt werden können, muß daran festgehalten werden, daß diese drei Grundreaktionsmuster zu einem gesunden Leben gehören. Es stellt sich dann allerdings die schwierige Aufgabe, diese auseinanderstrebenden Verhaltensweisen miteinander in eine Balance zu bringen, damit das Leben nicht zerrissen wird. Nach Ansicht der TA sollte der ausgeglichene Mensch gewissermaßen in einem einzigen komplexen Ich-Zustand leben, der sämtliche Ich-Zustände in sich vereinigt. Dieser Ich-Zustand wird als "Integriertes Erwachsenen-Ich" bezeichnet.

II. Mein verändertes Modell der Transaktionsanalyse

Mein verändertes System der Transaktionsanalyse setzt bei ihrem Konzept der Rollen von Opfer, Retter und Verfolger an, die aber mit den Ich-Zuständen in unmittelbarer Verbindung stehen. Ich beschreibe zunächst diese Rollen, die inzwischen auch bei psychologischen Astrologen einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben:

Ein Retter ist jemand, der seine fürsorgliche Energie übertrieben zum Ausdruck bringt (und damit eine Schwäche verdeckt), anderen Menschen die Fähigkeit zur Eigenverantwortung abspricht und ihnen seine Hilfe aufzudrängen versucht.

Ein Verfolger ist jemand, der sich überlegen fühlt und anderen Menschen ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Ordnung mehr oder weniger fanatisch aufzuzwingen versucht. Auch ein Verfolger bringt seine Energie übertrieben zum Ausdruck und verdeckt damit für sich selbst und für andere eine Schwäche.

Ein Opfer ist jemand, der sich selbst die Fähigkeit abspricht, sein Leben eigenverantwortlich führen zu können und der damit übertriebene Hilfe, aggressive Bevormundung oder auch irgendeine Form von Unterhaltung (Bespaßung) von anderen anlockt. Ein Opfer will sich also mit allen möglichen Ausreden vor den Schwierigkeiten des Lebens bzw. vor der eigenen Selbstentfaltung drücken.

Ich möchte an dieser Stelle gleich darauf aufmerksam machen, daß es das Opfer in zwei Formen gibt. Im allgemeinen denkt man an einen Menschentyp, der sich in eine Schwäche manipuliert hat, um andere Menschen auszunutzen. Es gibt aber auch einen weniger destruktiven Typ, der aus einer Lebensängstlichkeit heraus auf Möglichkeiten der Selbstverwirklichung verzichtet und es nicht wagt, das Leben zu genießen. Auch diese falsch verstandene Bescheidenheit gehört meiner Meinung nach zur Opfer-Rolle.

Diese drei Rollen sind nun aufeinander bezogen, so daß sie sich in Form eines Dreiecks (Drama-Dreieck) darstellen lassen. Das bedeutet, daß die Menschen in der alltäglichen Interaktion ihre Rolle wechseln (ein Retter wird etwa zu einem Verfolger, ein Verfolger zu einem Opfer), so daß kleine dramatische Szenen entstehen, die auch als Psychospiele bezeichnet werden.

Diese drei Rollen hängen nach meinen Beobachtungen aber auch mit den Ich-Zuständen zusammen, und zwar befindet sich ein Mensch als Opfer im negativen angepaßten Kind-Ich und als Retter im negativen fürsorglichen Eltern-Ich. In beiden Ich-Zuständen ist er sehr stark an Gefühle (Betroffenheit) gebunden. Als Verfolger befindet er sich im negativen kritischen Eltern-Ich, in dem er ein mehr distanziertes intellektuelles Verhalten (Erregung) an den Tag legt.

Den Unterschied zwischen Rollen und Ich-Zuständen sehe ich darin, daß ein Ich-Zustand Auskunft darüber gibt, in welcher ursächlichen (skriptgebundenen) Verfaßtheit sich ein Mensch im Augenblick befindet (Kindposition, Elternposition, Erwachsenenposition), während die Rollen des Drama-Dreiecks ein dysfunktionales soziales Handeln beschreiben. Ich-Zustände wirken in ihrer Beschreibung statisch, Rollen dagegen dynamisch, bezeichnen aber letztlich dasselbe.

Die Rollen des Drama-Dreiecks habe ich nun um die Rolle des Chaoten erweitert. Opfer, Retter, Verfolger und Chaot ergeben zusammen ein Drama-Viereck.

(vgl. das Schaubild Das Drama-Viereck)

Unter Chaotik verstehe ich nicht die depressive Verwahrlosung, wie man sie unter Umständen bei Menschen in der Rolle des Opfers erleben kann, sondern die aggressive narzißtische Selbstdarstellung, die alles durcheinander bringt und im Extrem in der Verrücktheit mündet. Ein Chaot ist jener Menschentyp, der mit einer gewissen Selbstherrlichkeit allen Verpflichtungen des Lebens aus dem Weg geht und im Leben allein seinen Spaß sucht. Ich werde diese Rolle weiter unten auch astrologisch begründen.

Vorerst möchte ich aber auf eine Gefahr aufmerksam machen: Die Beratung und Therapie der traditionellen TA läuft vereinfacht dargestellt darauf hinaus, dem Klienten die Problematik einer der drei neurotischen Rollen (Opfer, Retter und Verfolger), in denen er sich befindet, bewußt zu machen. Der Ausstieg aus diesen Rollen, die Neuentscheidung, soll dann vor allem in Richtung von mehr Spontaneität und Bewußtheit erfolgen, wobei ganz pragmatisch der Rat gegeben wird, auf das freie Kind-Ich zu hören, sich vom fürsorglichen Eltern-Ich die entsprechenden Erlaubnisse zu holen und im vernünftigen Erwachsenen-Ich die Lage im Hier und Jetzt zu prüfen.

Ein solcher Rat ist richtig, wenn sich der Klient tatsächlich in der Problematik eines depressiven Opfers, eines sich aufdrängenden Retters oder eines fanatischen Verfolgers befindet. In der TA wurde aber übersehen, daß auch die Spontaneität zum Problem werden kann. Und genau dann haben wir es mit der Rolle des Chaoten (Narzißt) zu tun.

Vielleicht trat für die TA bei ihrer Entwicklung vor rund 50 Jahren diese Rolle nicht in den Vordergrund, weil sie einfach noch nicht so typisch in der damaligen Gesellschaft war. Vielleicht handelt es sich aber auch um eine spezielle amerikanische Blindheit, weil der showmaker und der entertainer nun einmal genau das amerikanische Lebensgefühl treffen. Kaum jemand verbindet dort mit solchen Idolen der Spontaneität den Begriff des Neurotischen. Und doch ist es so: die Star-Rolle kennzeichnet eine spezifische Form der Neurose, die allerdings von der modernen Gesellschaft nicht so gesehen wird. Diese Krankheit des Narzißmus wird verdeckt durch die allgemeine Bewunderung der Stars.

Es muß hier nun zur Klärung angemerkt werden, daß es auch die Rolle des Chaoten in zwei Formen gibt: es gibt den destruktiven und den produktiven Chaoten. In der destruktiven Form beschmiert er Hauswände, demoliert er Telefonzellen, lärmt er bei Veranstaltungen, schwätzt er in Diskussionen unsinniges Zeug, zeigt er ein provozierendes Outfit, geht er über Anstand und Sitte rücksichtslos hinweg, oder er benimmt sich auf andere Weise hemmungslos und schamlos. Seine Devise ist: Ich mache, was ich will. Hauptsache, ich habe meinen Spaß. Kein Skandal ist ihm zu abgeschmackt, keine Extravaganz zu verrückt, um sie nicht zu versuchen. Der destruktive Chaot zeigt eine negative überzogene Selbstdarstellung, die unmittelbar deutlich zu erkennen ist.

Es gibt den Chaoten jedoch auch auf einer höheren Ebene in einer produktiven Form. Das sind jene Menschen, die ihre Durchsetzungskraft, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität, Erfindungsgabe, Dynamik und Mobilität ohne Rücksicht auf Verluste narzißtisch ausleben wollen. Sie sind tüchtig und haben unter Umständen eine Menge an Fähigkeiten anzubieten, sie sind aber nicht bereit, um des Zusammenhalts des Ganzen willen einmal zurückzutreten und ihre Kreativität zu bremsen. Ihre spontane Energie führt darum letztlich auch ins Chaos, weil sie die Gesellschaft mit einer Veränderungsdynamik konfrontiert, die große Teile ihrer Mitmenschen nicht mehr mitgehen können und die vor allem auch die notwendigen gesellschaftlichen Regelungsmöglichkeiten völlig überfordert.

Dem produktiven Chaoten fehlen vor allem die Fähigkeit zum Loslassen und die Hilfsbereitschaft, aber auch die Fähigkeit zum Leiden. Er ist gekennzeichnet von zwangshafter Fröhlichkeit und optimistischem Schwung. Er kennt keine Probleme, und er kennt vor allem keine Grenzen. In der Wirtschaft und Politik konzentriert er sich meistens auf eine originelle und visionäre Kommunikation, abgehoben von der Realität, wobei er gleichzeitig allen niedrigen und unbequemen Arbeiten aus dem Wege geht, die dann andere für ihn erledigen müssen.

Man findet ihn deshalb auch besonders häufig in der Vorgesetztenposition, wobei der Vorgesetzte als produktiver Chaot ein subtiles Verhalten der Ausbeutung an den Tag legt. Seine Mitarbeiter werden mit Zumutungen und Erwartungen konfrontiert, die zwar die Daseinsberechtigung des Visionärs unterstreichen, aber letztlich unerfüllbar sind. Es gibt keine ehrliche Kommunikation zwischen der Leitungsebene und der Ebene der praktischen Durchführung, und damit bricht ein solches System irgendwann chaotisch zusammen. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Wir finden eine gute kurze Beschreibung des chaotischen Lebensgefühls bei Fritz Riemann in seinem Buch "Grundformen der Angst". Er charakterisiert dort zum Schluß die hysterische Persönlichkeit u.a. wie folgt:

"Der gesunde Mensch mit hysterischen Strukturanteilen ist risikofreudig, unternehmenslustig, immer bereit, sich Neuem zuzuwenden; er ist elastisch, plastisch, lebendig, oft sprühend und mitreißend, lebhaft und spontan, gern improvisierend-ausprobierend. Er ist ein guter Gesellschafter und nie langweilig, bei ihm ist "immer etwas los"; er liebt alle Anfänge und ist voll optimistischer Erwartungsvorstellungen vom Leben. ... Er bringt alles in Bewegung, rüttelt an Traditionen und veralteten, erstarrten Dogmen und hat etwas bezwingend Suggestives, viel Charme, den er bewußt einzusetzen weiß. Er nimmt nichts zu ernst - außer vielleicht sich selbst - weil er um die Relativität der meisten Dinge im Leben weiß; er ist stärker im Impulse-Setzen und Etwas-in-Gang-bringen als in der Ausdauer und geduldigen Durchführung von Geplantem. Aber gerade seine Ungeduld, seine Neugier und Unbeschwertheit von Vergangenheit, läßt ihn manche Chance sehen und ergreifen, die anders Geartete nicht sehen, oder die diesen ein Halt, eine Grenze bedeuten würde." (a.a.O, S. 198)

Hier sehen wir deutlich das positive freie Kind-Ich vor uns, das in der Übertreibung natürlich sehr schnell zum negativen freien Kind-Ich, also zum Chaoten, werden kann. Riemann hat allerdings diesen Menschentyp in dem betreffenden Kapitel meiner Meinung nach nicht ganz lupenrein beschrieben. Wir finden nämlich dort in seiner Charakterisierung der hysterischen Persönlichkeit auch stark aggressiv-rebellische (also verfolgerische) Anteile, was in etwa der vulgären Vorstellung von Hysterie entspricht. Trotzdem bleibt aber Riemann ein Kronzeuge für ein neurotisches Verhaltensmuster, das ich als Chaotik bezeichnet habe. 

Ich hoffe, daß mit dieser sehr kurzen Darstellung genügend deutlich geworden ist, daß der Chaot eine eigenständige Rolle darstellt. Das hat sich z.B. auch in der astrologischen Beratung noch nicht herumgesprochen. Immer noch wird so getan, als müßten die Klienten zu mehr Originalität und Unangepaßtheit ermuntert werden. Dabei hat sich der Wind längst gedreht, vor allem in den Großstädten. Wenn ich z.B. meinen Berufsschülern heute empfehlen würde: Seid spontan! dann würde ich offene Scheunentore einrennen. Meine Schüler leiden selten an Depressionen, sie sind auch nicht übertrieben hilfsbereit, allenfalls zeigen sie ein kämpferisches verfolgerisches Verhalten, meistens gegen Minderheiten. Sie sind aber vor allem chaotisch auf einer primitiven Ebene, dh. undiszipliniert, sprunghaft, rücksichtslos, lärmend und oft einfach "verrückt". Die verrückte Selbstdarstellung, koste es, was es wolle, ist vielleicht die einfachste Charakterisierung des Chaoten und sie triftt heute nicht nur für Kinder und Jugendliche zu, sondern auch für große Teile der Erwachsenen.

Letztlich spielt es aber keine Rolle, ob diese Verrücktheit auf einem niederen oder auf einem höheren Niveau stattfindet. Auch die eigenwillige narzißtische Selbstinszenierung der Manager, Banker, Wirtschaftsberater, Politiker, Journalisten, Moderatoren, Entertainer, Schauspieler und Sportler, ganz zu schweigen von Finanzjongleuren und Börsenspekulanten, ist irgendwie verrückt. Sie ist nur weniger einfach festzustellen. Am Ende führt aber auch sie dazu, daß die Gesellschaft ihre Mitte verliert und der Zusammenhalt des Ganzen verloren geht. Und genau das ist Chaotik.

Der sozialen Rolle des Chaoten kann nun meiner Meinung nach - wie oben schon erwähnt - ebenfalls ein Ich-Zustand zugeordnet werden, nämlich der des negativen freien Kindes. Dabei läßt sich wiederum zeigen, daß auch gegenüber der negativen kreativen Spontaneität in der TA-Literatur eine gewisse Blindheit besteht. James und Jongeward beschreiben zwar die Problematik des negativen freien Kindes einigermaßen ausführlich ("Spontan leben", S. 158 ff.), ohne jedoch daraus die Konsequenz zu ziehen, daß es sich um einen eigenen negativen Ich-Zustand handelt. In dem bekannten Standardwerk von Hennig und Pelz ("Transaktionsanalyse. Lehrbuch für Therapie und Beratung") werden zwar sämtliche Ich-Zustände in ihrer positiven und negativen Form dargestellt, es fehlt aber bezeichnenderweise in der Übersicht das negative freie Kind-Ich (S. 32). Stewart und Joines beschreiben zwar das negative freie Kind, widmen ihm aber lediglich einen einzigen kleinen Abschnitt. ("Die Transaktionsanalyse. Eine neue Einführung in die TA", S. 51) Es ist darum für mich auch nicht verwunderlich, wenn sie aus dieser Erkenntnis nicht die Folgerung gezogen haben, daß es auch auf der Ebene der sozialen Rollen eine Entsprechung geben müsse, nämlich die negativ-spontane Rolle des Chaoten.

(vgl. das Schaubild Veränderungen der Transaktionsanalyse)

Der Chaot zeigt also ein hemmungsloses und insofern negatives freies Kind-Ich im Sinne der Transaktionsanalyse. Zu einer fixierten Rolle wächst er sich aber nur aus, wenn auch das fürsorgliche Eltern-Ich überwiegend negativ erfahren worden ist. Zu großzügige Erlaubnisse, eine maßlose materielle Verwöhnung, zu viel Bewunderung (vor allem in Ein-Kind-Familien oder von allein erziehenden Müttern) bei gleichzeitig fehlenden Grenzsetzungen im positiven kritischen Eltern-Ich (weil die Eltern entweder abwesend oder erziehungsunfähig sind) - das sind die typischen Erziehungsfehler, die den Chaoten in der frühen Kindheit entstehen lassen und ihn wahrscheinlich zur wichtigsten neurotischen Rolle der Postmoderne haben werden lassen. Wir leben heute im Zeitalter des Narzißmus.

(vgl. die Übersicht Der Einfluß der Erziehung)

Es ist für mich interessant und aufschlußreich, daß sich meine Vorstellung von vier neurotischen Lebensrollen auch mit dem TA-Konzept der vier Lebensgrundpositionen verbinden läßt, wie es Eric Berne schon 1962 entwickelt hat. Danach können den Quadranten im OK-Korral die Rollen wie folgt zugeordnet werden: 1. Quadrant = Chaot, 2. Quadrant = Opfer, 3. Quadrant = Retter und 4. Quadrant = Verfolger.

(vgl. das Schaubild Die vier Lebensgrundpositionen)

Es mag vielleicht befremden, daß die Position "Ich bin nicht OK - du bis nicht OK" dem Retter entsprechen soll, denn in der TA wird dieser Quadrant bisher mit der Grundstimmung der Verzweiflung identifiziert. Man muß sich dabei aber vor Augen halten, daß ein Retter immer ein "hilfloser Helfer" ist, der aus einer depressiven Position heraus operiert, indem er einem "hilflosen Opfer" helfen will. Er befindet sich insofern sehr wohl in einer "verzweifelten" Lage.

Daß aber im 1. Quadranten die Rolle des Chaoten angesiedelt werden kann, deuten Hennig und Pelz selbst an, wenn sie F. English zitieren (S. 95), die hier zwischen "einem symbiotischen, grenzenlosen OK-Gefühl des Säuglings und dem "OK-realistisch" des Erwachsenen, der seine Grenzen und die Begrenztheit der anderen und des Lebens allgemein akzeptiert" unterscheidet. Wenn nämlich unter dem Einfluß des negativen fürsorglichen Eltern-Ich dieses "grenzenlose OK-Gefühl des Säuglings" ausgebaut und befestigt wird, dann wird eben auch die Lebensgrundposition des 1. Quadranten negativ gelebt. Es ist keineswegs sicher, daß ein Erwachsener hier immer aus der Position des "OK-realistisch" heraus operiert.

Vielleicht kann es zum Verständnis meiner Überlegungen beitragen, wenn ich an dieser Stelle darauf aufmerksam hinweise, daß nach meiner Meinung alle Positionen im OK-Korral sowohl positiv als auch negativ gelebt werden können. Ausschlaggebend dafür ist, ob ein Mensch die entsprechenden Bezugspunkte des "OK" bzw. des "nicht-OK" verabsolutiert oder relativieren kann. Werden diese Bezugspunkte sowohl bei dem Handelnden als auch bei seinem Gegenüber in ihrer Begrenztheit akzeptiert, wird also eine Überlegenheit bzw. Unterlegenheit immer situationsbedingt relativiert, dann können alle Positionen positiv ausgefüllt werden.

So kann z.B. die Position im 2. Quadranten (ich bin nicht-OK - du bist OK) im Hier und Jetzt auch ganz undepressiv und positiv als Fähigkeit zum Loslassen gelebt werden. Im anderen Fall, wenn ein Mensch grundsätzlich und immer der Ansicht ist, daß er nicht-OK ist und die anderen OK sind, entsteht die Rolle des Opfers. Das gleiche läßt sich für die übrigen drei Quadranten zeigen. Ich werde diese positiven Entsprechungen der neurotischen Lebensrollen von Opfer, Retter, Verfolger und Chaot bei der nachfolgenden Beschreibung der Zusammenhänge zwischen Astrologie und Transaktionsanalyse näher erklären.

Im 1. Quadranten führt die Verabsolutierung der Position "ich bin ok – du bist ok" zu einer übertrieben optimistischen Weltsicht. Dummheit und Bosheit, Irrtum und Verbrechen, Schuld und Leid, die auch zu unserer Welt gehören, werden gedanklich ausgeblendet. Auf diese Weise dominieren allein Selbstdarstellung und Lebensfreude, die durch keine kritische Selbstreflektion gebremst werden und führen im Extrem zu einem verrückten Leben.

Hinter jeder neurotischen Lebensrolle steht also meiner Ansicht nach als gesunder Kern eine entsprechende nicht übertrieben gelebte Lebensgrundeinstellung: Hinter der Opfer-Rolle, wie gesagt, die Fähigkeit zur Anpassung und Rücksicht, hinter der Retter-Rolle die Fähigkeit zur Hilfe, hinter der Verfolger-Rolle die Fähigkeit zur Normgebung und Selbstbehauptung und hinter der Chaoten-Rolle die Fähigkeit zur Kreativität und Lebensfreude. Es kommt immer darauf an, mit der erforderlichen Sachlichkeit im Hier und Jetzt das Verhaltensmuster einzusetzen, das der jeweiligen Situation angemessen ist.

Es ist also keineswegs so, wie es bisher in der TA gelehrt wird, daß im OK-Korral drei Quadranten negative Verhaltensmuster beschreiben, während im 1. Quadranten grundsätzlich die richtige Lebensgrundeinstellung angesiedelt ist. Vielmehr können in jedem Quadranten positive und negative Verhaltensmuster auftreten und in der neurotischen Übertreibung gehört in den 1. Quadranten die Rolle des Chaoten hinein, der dem negativen freien Kind-Ich entspricht.

III. Verbindungen zwischen Transaktionsanalyse und Astrologie

Die Astrologie beschreibt wie gesagt 12 Grundenergien als einfachste Bausteine der menschlichen Persönlichkeit. Wir Menschen können diese Energien nicht machen, denn sie gehören zur Schöpfungswirklichkeit. Unsere Aufgabe besteht darin, diese Energien richtig zu verwalten. Das Horoskop zeigt uns dabei die besondere Weise, in der wir Anteil an diesen Energien haben. Es zeigt also unsere Begabungen und Bedürfnisse. Wir müssen aber selbst dafür sorgen, daß diese Energien dort gelebt werden, wo sie in unserem Horoskop stehen. Gefordert ist immer eine ausgeglichene Balance aller Energien in unserem Verhalten. Wir müssen das werden, was wir sind! Und das ist die Arbeit eines ganzen Lebens.

Auf dem Weg, das zu werden, was wir nach Aussage unseres Horoskops sein sollen, spielen nun die tiefer liegenden astrologischen Energien, die von Saturn und den transsaturnalen Planeten Chiron, Uranus, Neptun und Pluto symbolisiert werden, eine besondere Rolle.

Das System von Saturn baut - wie ich es sehe - auf den Energien von Skorpion (Qualität) und Stier (Quantität) auf, in denen die grundlegenden Werte gespeichert sind, die kulturell bzw. subkulturell bedingt sind und durch die Erziehung vermittelt werden. Diese Werteebene entspricht in etwa dem, was in der TA mit "Bezugsrahmen" bezeichnet wird und bei Sigmund Freund dem "Über-Ich" entspricht. Saturn gibt diesen Energien entsprechend seiner Eigenart eine konkrete Struktur und damit Halt und Stabilität. Trotzdem ist die Saturn-Struktur nur von vorläufiger Bedeutung. Wir brauchen zwar für unser Leben ein Gerüst, eine feste Ordnung, Gesetze, Normen und Institutionen, wir müssen aber solche Strukturen immer wieder verändern und manchmal sogar revolutionär hinter uns lassen, damit das tiefer liegende Leben nicht erwürgt wird.

Die richtige Erhaltung bzw. Veränderung der Saturnstruktur stellt meiner Meinung nach das entscheidende Lebensproblem dar, aus dem sich alle neurotischen Störungen herleiten.

Für den richtigen Umgang mit der Saturnstruktur stehen den Menschen die transsaturnalen Energien zur Verfügung, nämlich die von Chiron, Uranus, Neptun und Pluto. Da diese Energien den tiefsten Grund der menschlichen Persönlichkeit bestimmen, spreche ich hier von Energien des Lebensgrundes.

Die Aufgabe der transsaturnalen Energien besteht darin, die Struktur des Saturn einerseits in der Tiefe der Persönlichkeit zu befestigen (Skorpion mit Stier), andererseits sie lebensfähig und beweglich zu erhalten (Fische und Wassermann). Die Jungfrauenergie (Chiron) vermittelt gedanklich zwischen Saturn und den transsaturnalen Energien.

(vgl. das Schaubild Saturn und transsaturnale Energien)

Diese Energien können also das Ich-Gehäuse, das der Saturn geschaffen hat, sowohl verstärken als auch verändern oder manchmal sogar umstürzen. Die Funktion der transsaturnalen Energien ist also durchaus ambivalent zu verstehen. Es besteht deshalb eine besondere Schwierigkeit, diese Energien in einer ausgeglichenen und sachlichen Weise zu leben.

(vgl. den Artikel Was ist Sachlichkeit?)

Dadurch daß bestimmte Energien das System von Saturn infrage stellen können, werden sie aber noch nicht zu "geistigen", "überpersönlichen" oder "transpersonalen" Energien, wie viele Astrologen meinen. Eine "überpersönliche" Wirkung im Sinne einer Allverbundenheit besitzt allein die Fische-Energie. Die Wassermann-Energie ist sogar super-persönlich. Trotzdem muß vor allem gegenüber einer esoterischen Astrologie festgehalten werden, daß sowohl die Fische-Energie als auch die anderen transsaturnischen Energien ganz zu unserer Welt gehören. Sie sind Bausteine des menschlichen Lebens und beschreiben normale menschliche Begabungen und Bedürfnisse. Sie setzen mit ihrer Wirkung nur auf einer tieferen Ebene an.

Die "Entmystifizierung" der transsaturnalen Energien ist auch aus dem Grund wichtig, weil diese Energien nur so voll und ganz einer Psychologischen Astrologie zur Verfügung stehen. Erst wenn die (esoterischen) Astrologen darauf verzichten, durch die Entwicklung der Energien von Uranus, Neptun und Pluto ("Höhere Dreiheit") zu einer Bewußtseinserweiterung gelangen zu wollen, die es ihnen ermöglicht, eigenmächtig in die Transzendenz gewissermaßen "hinaufzuklettern", kann sich ein realistisches Bewußtsein dafür entwickeln, was diese Energien im praktischen Leben bewirken. Erst dann können auch die Verbindungen zur Transaktionsanalyse in den Blick kommen, die ich in meiner Gestalt-Astrologie beschreibe.

Die Astrologen sind sich im Einklang mit der abendländischen philosophischen Tradition darin einig, daß das gesunde Leben im rechten Maß besteht. Die Tierkreisenergien müssen deshalb gewissermaßen aus der Mitte des Horoskops heraus gelebt werden. Übertreibungen gehen immer zu Lasten von anderen Energien, die aber grundsätzlich gleichberechtigt sind. Solche Übertreibungen entstehen dadurch, daß bestimmte Energien des Horoskops anderen Energien untergeordnet werden und dann weniger Energie zur Verfügung haben, als ihnen nach dem Horoskop eigentlich zusteht. Ich bezeichne diesen Vorgang als Instrumentalisierung.

Den Tierkreisenergien droht eine solche Schieflage immer dann, wenn sie im Horoskop durch Spannungsaspekte verbunden sind. Werden nun die transsaturnalen Energien auf diese Weise aus der Balance gebracht, dann bekommt das Leben eine grunsätzliche Schieflage, die ein besonderes Gewicht hat, weil diese Energien unsere Lebensgrundeinstellungen beeinflussen.

Neurosen sind aus meiner Sicht nichts anderes als solche Übertreibungen der transsaturnalen Energien, die dann auch die anderen Energien des Horoskops in Mitleidenschaft ziehen. Dabei spielen nach meiner Beobachtung die Energien von Wassermann (Uranus) und Fische (Neptun) die qualitativ führende Rolle. Es ist aber von entscheidender Bedeutung, ob diese Energien mit den Yang-Energien (Luft/Feuer) oder Yin-Energien (Erde/Wasser) des Tierkreises verbunden sind.

Eine starke Betonung der Fische-Energie legt den Menschen ein lebensängstliches und mitfühlendes Verhalten nahe. Eine starke Betonung der Wassermann-Energie verführt den Menschen in der Regel zu Selbstherrlichkeit und Eigenwilligkeit. Er kann diese neurotische Grundeinstellungen entweder auf der Seite der Angepaßtheit (Yin) oder auf der Seite der Spontaneität (Yang) leben. Auf diese Weise entstehen die Lebensrollen von Opfer, Retter, Verfolger und Chaot. Und hier liegt die astrologische Begründung dafür, daß das Drama-Dreieck der Transaktionsanalyse eigentlich ein Drama-Viereck sein muß.

(vgl. das Schaubild Der Einfluß der Polaritäten)

Die Energie von Neptun (Betroffenheit/Verschmelzung/Einfühlung) führt in der Verbindung mit den Yang-Energien des Horoskops zur Anpassung und zur Einfühlung, weil die neptunische Energie die spontan-schöpferischen Impulse bremst. Im Zusammenhang mit den Yin-Energien entsteht dagegen die Fähigkeit zur Hilfsbereitschaft. Die Hilfsbereitschaft stabilisiert das System von Saturn, indem sie andere Menschen darin unterstützt, die Forderungen des Saturn zu erfüllen. Die Fähigkeit zur Anpassung vermittelt dagegen die Bereitschaft, sich in bestimmten Situationen zurückzunehmen und unter Umständen auch mit großer Leidensbereitschaft auf eigene kreative Möglichkeiten zu verzichten. Der persönliche Gewinn liegt dabei im Einfühlungsvermögen, der soziale Gewinn im Zusammenhalt der Gesellschaft. Bleibt der Neptun in diesem Rahmen, dann wird er gesund gelebt und dient der Erhaltung des Lebens.

In der Übertreibung führt die Fähigkeit zur Anpassung zur neurotischen Lebensrolle des Opfers, das sich aus zu großem Selbstmitleid und zu großer Lebensangst vor den Schwierigkeiten des Lebens in seine Träume zurückzieht und damit anderen zur Last fällt. Das Opfer verzichtet damit auf die eigene Selbstverwirklichung. Die Hilfsbereitschaft führt dagegen in der Übertreibung zu der neurotischen Lebensrolle des Retters, der aus zu großem Mitgefühl und zu großem Harmoniebedürfnis anderen Menschen die Verantwortung abnimmt.

Das Opfer untertreibt die Verantwortung unter Neptuneinfluß. Es drängt sein Gegenüber in die Elternrolle und nutzt dessen Hilfsbereitschaft aus. Der Retter übertreibt die Verantwortung unter Neptuneinfluß. Er drängt sein Gegenüber in die Kindrolle und beutet es damit seelisch aus.

Die Energie von Uranus (Erregung/Erfindung/Freiheit) ist die Energie der Erneuerung und Selbstverwirklichung. Der Wassermann hat (zusammen mit der Jungfrau-Energie) die Gedankenkraft, das Leben in seine Einzelteile zu zerlegen und originell neu zu verbinden. Damit kann das System von Saturn unter Umständen genial-erfinderisch infrage gestellt werden (Uranus in Verbindung mit Yang-Energien), es kann aber auch reformerisch-zielstrebig verändert und weiterentwickelt werden (Uranus in Verbindung mit Yin-Energien). Bleibt der Uranus in diesem Rahmen, dann dient auch er der Weiterentwicklung des Lebens und wird insofern gesund gelebt.

In der Übertreibung wird aus dem zielstrebigen Reformer die neurotische Lebensrolle des Verfolgers, der anderen Menschen aggressiv oder manipulativ seine Vorstellungen aufzuzwingen versucht und die Menschen oder die Gesellschaft umerziehen will. Andererseits wird aus dem erfinderischen Selbstdarsteller in der Übertreibung die neurotische Lebensrolle des Chaoten, der mit seinen narzißtisch überzogenen Selbstverwirklichungsbedürfnissen keine Rücksicht auf die berechtigten Lebensinteressen anderer Menschen nimmt und einfach nur das tut, was ihm Spaß macht. Er macht seine Spontaneität zum alleinigen Maßstab für das Leben und stellt sich mit einer solchen Egozentrik unter Umständen sogar außerhalb von Recht und Gesetz.

(vgl. das Schaubild Die neurotische Struktur der Lebensrollen

Es zeigt sich hier beispielhaft, wie gut sich die Psychologische Astrologie mit Konzepten der Transaktionsanalyse verträgt. Es zeigt sich aber auch, daß die Astrologie diese Konzepte tiefer und genauer beschreiben kann.

Die Energien von Uranus und Neptun bestimmen wie gesagt die qualitative Richtung der Neurose. Die übrigen Horoskopenergien - vor allem wenn sie übertrieben eingesetzt werden - fügen wichtige zusätzliche Charakterisierungen hinzu. Die Stierenergie (Besitz/Sicherheit) z.B. ergänzt die neurotischen Lebensrollen durch Ausdauer bzw. Bequemlichkeit. Die Skorpionenergie (Bindungsfähigkeit/Liebe) radikalisiert sie mit Fanatismus und Verbissenheit. Die Jungfrauenergie (Ordnung/Vernunft) liefert eine besserwisserische Rationalisierung und eine perfektionistische Durchführung.

Unter starkem Stier- und Skorpioneinfluß entwickelt das Opfer unter Umständen ein Suchtverhalten. Unter dem Einfluß derselben Energien wird der Chaot zum Verrückten. Umgekehrt opfert sich der Retter bis zur Selbstzerstörung auf und der Verfolger wird zum selbsternannten Revolutionär, der über Leichen geht. Aus neurotischen Schieflagen der Persönlichkeit werden so Psychosen. Die TA hat diese mögliche Radikalisierung des Verhaltens im "OK-Korral" beschrieben.

(vgl. das Schaubild Die vier Lebensgrundpositionen)

Hinzu kommt noch folgendes: Die vier Lebensrollen werden nach meiner Beobachtung in unterschiedlichen Bezügen gelebt. Sie können sich in einem personalen, seelischen Bereich (Beziehung) manifestieren, sie können sich aber auch mit einem sachlichen, materiellen Bereich (Beruf) verbinden. So kann z.B. jemand ein Retter sein, indem er sich im sozialen Engagement für seine Mitmenschen etwa als Bewährungshelfer aufopfert. Er kann aber auch ein Retter sein, indem er unermüdlich Dinge repariert, Maschinen wartet oder ein Lager verwaltet. Man kann ein Verfolger sein, indem man in einer Beziehung den Partner ständig kritisiert. Man kann aber auch ein Verfolger sein, indem man im Beruf andere Menschen unterdrückt.

(vgl. die Übersicht Eigenschaften der Lebensrollen)

Aus dem Horoskop kann man ersehen, mit welchen anderen Energien sich die einzelnen Lebensrollen verbinden. Damit werden die Lebensrollen weiter konkretisiert und für eine Beratung praktisch handhabbar gemacht. Ein Mensch ist ja immer bemüht, sämtliche Energien seines Horoskops - wenn auch zunächst mit einer Schieflage - in ein geschlossenes Konzept zu bringen. Die Integration aller Energien bildet die grundlegende Voraussetzung für seine seelische Gesundheit.

Deshalb werden - unter der Federführung von Uranus bzw. Neptun - alle übrigen Energien des Horoskops einer bestimmten Lebensrolle als Konkretisierung zugeordnet. Bei einem Wechsel zu einer anderen Lebensrolle, wie es z.B. innerhalb eines Psychospiels geschieht, werden die im Geburtshoroskop angelegten Energien entsprechend neu geordnet.

(vgl. das Schaubild Der Aufbau einer Lebensrolle)

Die Übertreibung bzw. Untertreibung der transsaturnalen Energien führt also zu einem falschen Umgang mit der Saturnstruktur. Hierfür bieten sich zwei Möglichkeiten an: Man kann das saturnale Prinzip in Form der Verantwortung zu ernst nehmen - dann geht man in die Elternrollen (Neptunprinzip bzw. Uranusprinzip in Verbindung mit den Yin-Energien des Tierkreises) entweder in Form des Retters (negatives fürsorgliches Eltern-Ich) oder des Verfolgers (negatives kritisches Eltern-Ich) oder man kann das saturnale Prinzip in Form der Verantwortung zu wenig ernst nehmen - dann besetzt man die Kindrollen (Neptunprinzip bzw. Uranusprinzip in Verbindung mit den Yang-Energien des Tierkreises) entweder in Form des Opfers (negatives angepaßtes Kind-Ich) oder des Chaoten (negatives freies Kind-Ich). In beiden Fällen übernimmt man nicht wirklich in sachlicher Weise die Verantwortung für sich selbst, sondern man versucht, die damit verbundene Belastung zu vermeiden.

Der richtige Weg liegt in der Mitte, indem man vor allem dem Verschmelzungsbedürfnis der Fische und dem Unabhängigkeitsbedürfnis des Wassermann die richtigen Grenzen setzt. Das wiederum ist die Aufgabe des Saturn, der dem Erwachsenen-Ich entspricht. Der Saturn muß sich mit seiner Fähigkeit zur Sachlichkeit gegen die übertriebenen Zumutungen der Fische- und der Wassermannenergie zur Wehr setzen.

(vgl. die Übersicht Was ist Sachlichkeit?)

Wenn das aber nicht nur auf bloße Anpassungsentscheidungen im Sinne der Tradition hinauslaufen soll, dann braucht der Saturn zur Unterstützung dringend die Fähigkeit der Unterscheidung. Und diese stammt von der Jungfrauenergie, die nach meiner Überzeugung durch den Kleinplaneten Chiron repräsentiert wird.

(vgl. das Schaubild Veränderungen der Transaktionsanalyse)

Das negative Erwachsenen-Ich bedarf noch einer eigenen Erwähnung. Die TA kennt die Trübung bzw. den Ausschluß des Erwachsenen-Ichs, was als komplementäres neurotisches Verhaltensmuster zu verstehen ist, wenn die negativen Ich-Zustände der Kindposition bzw. Elternposition dominieren. Hier ist das Erwachsenen-Ich in seiner Funktion besonders schwach.

Es gibt aber auch die Haltung einer übertriebenen Sachlichkeit, die sich gleich weit entfernt hält von Betroffenheit (Neptun) und Erregung (Uranus). Ein solcher Mensch ist scheinbar durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Hier handelt es sich ebenfalls um eine Trübung des Erwachsenen-Ichs, allerdings in entgegengesetzter Richtung.

Ich beobachte ein solches Verhalten besonders bei karrierebewußten Politikern und Managern, etwa in Interviews, wo in übertriebener Weise eine Experten-Kompetenz zur Schau gestellt wird. Offenbar kann auch das nüchtern-sachliche Erwachsenen-Ich, das eigentlich die vier anderen Ich-Zustände integrieren sollte, selbst zum Problem werden. In diesem Fall handelt es sich durchaus um einen neurotischen Ich-Zustand, den man vielleicht mit dem Begriff "Professionalität" bezeichnen könnte. Der "Profi" scheint genau der Menschentyp zu sein, an dem man die kalte Sachlichkeit des Nur-Experten am besten erkennen kann. Dabei dienen die viel zitierten Sachzwänge ("Es gibt keine Alternative") oft nur als Deckmantel für ein im Grunde rücksichtsloses und emotionsloses Verhalten in Wirtschaft und Politik.

Wird eine überzogene Sachlichkeit nicht auf der geistig-seelischen sondern auf der körperlich-vitalen Ebene gelebt, dann entwickeln die Menschen Zwangshandlungen. Alltägliche Verrichtungen (z.B. das Händewaschen) werden übertrieben wichtig genommen und dann entsprechend sinnlos wiederholt, weil die emotionalen Energien nicht für Betroffenheit (Neptun) und Erregung (Uranus) eingesetzt werden und deshalb mit ihrem Energiepotential für sachliche Handlungen zusätzlich zur Verfügung stehen. Aus Angst, die sachliche Mitte des Lebens durch Sensibilität oder Aggressivität zu verlieren, geraten solche Menschen zunehmend in den Sog von ritualisierten Tätigkeiten, mit denen sie sich die Sicherheit eines "normalen Lebens", allerdings oft von einer hektischen Unruhe getrieben, immer wieder zu bestätigen suchen.

IV. Das Skriptgefüge

Die Rollen des Drama-Vierecks werden in der frühen Kindheit gelernt. Da aber jeder Mensch sich alle vier Verhaltensmuster aneignet und diese sich (scheinbar) widersprechen, müssen diese geordnet werden. Dabei unterscheiden die Menschen unbewußt zwischen einem Normalbereich an der Oberfläche des Lebens und einem Streßbereich unter besonderen Belastungen und ordnen jedem Bereich zwei Verhaltensmuster zu. Sollte eine solche (vorläufige) Ordnung nicht gelingen, kann der betreffende Mensch durch die Widersprüche in seiner Persönlichkeitsstruktur den Alltag nicht mehr bewältigen. Die vier Rollen werden deshalb nach Ansicht der TA schon sehr früh, und zwar aufgrund frühkindlicher Skriptentscheidungen in der Familiensituation in eine entsprechende Rangordnung gebracht. Diese Rangordnung bezeichne ich als Skriptgefüge. Wenn die TA vom Lebensskript bzw. Lebensplan spricht, dann ist genau die Schaffung dieses Skriptgefüges gemeint, wobei die Position der einzelnen Rollen im Skriptgefüge durch Entscheidungen des Kindes im Rahmen seiner Erziehung festgelegt wird.

(vgl. die Übersicht Der Einfluß der Erziehung)

Das einmal als Kind entschiedene Skriptgefüge wird vom Erwachsenen später durch Psychospiele verteidigt. Während aber in der TA meines Wissens mit dem Konzept der Psychospiele nur ein Konflikt zwischen der oberflächlichen sozialen Ebene (Informationsebene) und der tieferliegenden psychischen Ebene (Beziehungsebene) der Kommunikation beschrieben wird, an dem also nur zwei Rollen beteiligt sind, sehe ich Psychospiele umfassender und zwar so, daß alle vier Rollen ins Spiel gebracht werden, allerdings auf einem unterschiedlichen Rang innerhalb der Persönlichkeit. Ich beschreibe zunächst diese Rangordnung:

Jeder halbwegs gesunde Mensch besitzt eine Lock-und Verführungsrolle, die ganz an der Oberfläche der Persönlichkeit liegt. Sie wirkt immer angenehm auf die Umgebung und wird deshalb auch von dem betreffenden Menschen ständig eingesetzt.

Die Lock- und Verführungsrolle wird durch die Verteidigungsrolle unterstützt, in der der Mensch ebenfalls kein übertriebenes Verhalten an den Tag legt.

Die Lock- und Verführungsrolle und die Verteidigungsrolle bilden zusammen die glattgezogene Oberfläche einer Persönlichkeit. Diese beiden Rollen wurden in der Familiensituation sowohl vom Vater als auch von der Mutter akzeptiert und konnten deshalb problemlos erlernt werden. Die glattgezogene Oberfläche macht es möglich, daß Menschen im Alltag miteinander auskommen und produktiv zusammenarbeiten können. Sie sind nicht im Konflikt mit ihrem Erwachsenen-Ich, also mit der Sachlichkeit. Menschen, die diese Oberfläche nicht besitzen (etwa Geisteskranke oder Psychoten), können an dem normalen zwischenmenschlichen Leben nicht teilnehmen und müssen besonders betreut werden.

Unter Belastung (Frustrationen/Streß) ändert sich das Erscheinungsbild eines Menschen. Es gelingt ihm jetzt nicht mehr, die Situation mit der glattgezogenen Oberfläche seiner Persönlichkeit in den Griff zu bekommen. Anfangs wird er versuchen, die beiden Oberflächenrollen zu verstärken. Deshalb wechselt er dort aus einer positiven Lebensgrundeinstellung in eine (übertriebene) neurotische Lebensrolle, die aber immer noch an der Oberfläche seiner Persönlichkeit liegt. Erst bei weiterem Streß kommt eine andere Rolle zum Zuge, die etwas tiefer liegt und die ich als verdeckte Hauptrolle bezeichne. Diese neurotische Rolle ist bereits in der Lock- und Verführungsrolle und in der Verteidigungsrolle untergründig zu spüren, hat aber am Anfang noch nicht die Exekutive im Handeln. In einem Psychospiel wechselt der betreffende Mensch von der übertrieben eingesetzten Lock- und Verführungsrolle in die verdeckte Hauptrolle.

Die neurotischen Übertreibungen in den Lebensrollen wurden in der Transaktionsanalyse nach Graden klassifiziert:

1. Grad:
Hierüber spricht man noch im Freundeskreis.

2. Grad:
Hierüber spricht man nicht mehr mit anderen Menschen.

3. Grad:
Es kommt zu bleibenden Schädigungen von zwischenmenschlichen Beziehungen oder der Gesundheit.

(Gerichtsprozesse/Verletzungen/Operationen).

4. Grad:
Es geht um Leben oder Tod

(Mord/Selbstmord/Selbstaufopferung/Verrücktheit).

(Anmerkung: Ich möchte das Kriterium für den 1. bzw. 2. Grad dahingehend abändern, daß die Fähigkeit, auf Kritik konstruktiv zu reagieren, entscheidend ist. Wird eine neurotische Lebensrolle nur im 1. Grad übertrieben eingesetzt, dann kann sich der betreffende Mensch bei Kritik zurücknehmen, im 2. Grad geht er zum Gegenangriff über.)

Die verdeckte Hauptrolle steht in unmittelbarer Verbindung mit der verdrängten Schattenrolle, vor der jeder Mensch eine oft geradezu panische Angst hat. Sie befindet sich ganz im Hintergrund der Persönlichkeit und konnte in der Familiensituation überhaupt nicht richtig erlernt werden, weil beide Elternteile mit ihr auf Kriegsfuß standen. Oft war es so, daß ein Elternteil diese Rolle übertrieben eingesetzt hat, während der andere ihr grundsätzlich ablehnend gegenüberstand, wodurch das Kind völlig verunsichert wurde. Um diese verdrängte Schattenrolle nicht benutzen zu müssen, ist der Mensch später als Erwachsener bereit, sich immer weiter in die verdeckte Hauptrolle hineinzusteigern.

(vgl. das Schaubild Die Rangordnung der Lebensrollen)

Das Skriptgefüge hat eine unter Umständen ganz gegensätzliche Struktur, je nachdem, ob sich der betreffende Mensch in einer sachlichen Situation (Beruf) oder in einer zwischenmenschlichen Beziehung befindet. So kann es z.B. vorkommen, daß die verdrängte Schattenrolle der Berufssituation in einer Beziehung zur Lock- und Verführungsrolle wird. Es ist deshalb für eine Beratung sehr wichtig, die Struktur des Skriptgefüges in beiden Lebensbereichen zu untersuchen.

Ich habe das Skriptgefüge, das das Konzept der TA der offenen und verdeckten Transaktionen weiterentwickelt, durch die Begegnung mit Überlegungen von C.G. Jung entdeckt, der im ähnlichen Zusammenhang von der Hauptfunktion (= Lock- und Verführungsrolle), der 1. Hilfsfunktion (= Verteidigungsrolle) und der 2. Hilfsfunktion (= verdeckte Hauptrolle) und der minderwertigen Funktion (= verdrängte Schattenrolle) spricht. Er wendet diese Begrifflichkeit allerdings auf seine vier Bewußtseinsfunktionen von Empfinden, Denken, Intuieren und Fühlen an.

Das in der Kindheit entschiedene Skriptgefüge wird später vom Erwachsenen beibehalten. Dabei werden die gelernten Rollen mit einer gewissen Sturheit immer wieder eingesetzt, ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Anforderungen der Realität im Hier und Jetzt. Die Psychologen sprechen deshalb vom Wiederholungszwang.

Die verdeckte Hauptrolle und die verdrängte Schattenrolle bilden den dämonischen Teil eines Menschen unter seiner glattgezogenen Oberfläche. Immer wieder gibt es hier Einbrüche, wo Menschen aus einer positiven Haltung (durch ihre unbewußte Angst) in eine übertriebene Rolle fallen, sich mehr oder weniger dämonisch verhalten und damit ihre Umgebung vor den Kopf stoßen. In der Transaktionsanalyse wird ein solcher Wechsel im Verhalten als Psychospiel bezeichnet. Dabei ist die Schnelligkeit, mit der man in ein Psychospiel einsteigt, immer ein Hinweis auf die Frustrationstoleranz des Betreffenden und auf den Grad, mit dem die neurotischen Rollen eingesetzt werden.

In einem Psychospiel werden also die Rollen des Oberflächenbereichs und die verdeckte Hauptrolle auf geschickte Weise miteinander verbunden. Ein Retter ist z.B. oft zugleich ein verdeckter Verfolger. Das zeigt sich spätestens dann, wenn ihn ein Opfer bzw. ein Chaot lange genug genervt haben. Auch ein Opfer ist nicht nur schwach und hilfsbedürftig, sondern manchmal ebenfalls ein rebellischer Verfolger, der sich passiv-aggressiv gegen die Fremdbestimmung durch einen Retter oder Verfolger zur Wehr setzt, die er andererseits zuvor durch sein Verhalten selbst angelockt hat.

Alle Positionen im Drama-Viereck sind unaufrichtig und können deshalb auf Dauer nicht durchgehalten werden. Die verdeckten Positionen wollen aufgedeckt werden und bringen so die Dynamik eines Psychospiels in Gang. Sie provozieren einen ständigen Wechsel der Rollen, bis am Ende die Beteiligten erschöpft sind oder im Streit die Kommunikation abbrechen. Dabei hat das Psychospiel letztlich den Zweck, die vierte ungeliebte Angst-Rolle, nämlich die verdrängte Schattenrolle, um fast jeden Preis zu vermeiden. Die heilsame Paradoxie des Lebens besteht darin, daß der Mensch gerade durch sein Spiel gezwungen wird, sich mit dieser Rolle auseinanderzusetzen.

Ein Beispiel:

Ein Vorgesetzter ist unter normalen Bedingungen in seinem Verhalten im Beruf sehr kreativ und für unkonventionelle Lösungen im Produktionsprozeß aufgeschlossen (Fähigkeit zur Selbstdarstellung als Lock- und Verführungsrolle). Er packt auch selbst mit an, um die anfallende Arbeit zu erledigen (Fähigkeit zur Hilfe als Verteidigungsrolle). Unter Streß legt er aber ein autoritäres Verhalten an den Tag, das so weit geht, daß er seine Mitarbeiter überfordert und ihnen sogar die Schuld an eigenen Fehlern und Versäumnissen zuschiebt (Verfolgerrolle als verdeckte Hauptrolle). Panische Angst hat er dagegen davor, daß ihn die Mitarbeiter schwach und hilflos erleben oder auch nur seine menschlichen Grenzen wahrnehmen könnten (Opferhaltung (= Akzeptieren einer Schwäche) als verdrängte Schattenrolle).

Diese verdrängte Schattenrolle ist das eigenliche hintergründige Motiv für seine Verfolgerhaltung. Steigert er sich nun bei schwierigen Problemen weiter in diese Verfolgerrolle hinein, dann kann es in der innerbetrieblichen Kommunikation zu erheblichen Störungen kommen. Wichtige Mitarbeiter werden ihm auftretende Probleme gar nicht mehr mitteilen oder auf eigenen Wunsch die Firma verlassen (komplementäre Opfer-Rolle bei den Mitarbeitern, die es unter Druck nicht mehr wagen, sich selbst zur Geltung zu bringen). Je nachdem, wie hart dieses Spiel gespielt wird, könnte die Endauszahlung darin bestehen, daß die Firma in den Bankrott getrieben wird.

Sehr wahrscheinlich ist nun, daß derselbe Vorgesetzte in einer Beziehung ein völlig anderes Verhalten an den Tag legt. Er könnte z.B. zu Hause eine gewisse Müdigkeit und Lustlosigkeit zeigen, was ihn aber andererseits zu einem einfühlsamen und anpassungsfähigen Partner machen würde (Fähigkeit zur Rücksicht als Lock- und Verführungsrolle), und er könnte außerdem (wenn auch vielleicht mit etwas Aufmunterung) durchaus bereit sein, sich bei der Erledigung des Alltags mit einzubringen (Fähigkeit zur Hilfe als Verteidigungsrolle). Besonders unfähig wäre er dagegen in der kreativen Gestaltung der gemeinsamen Häuslichkeit, die er eher von seiner Partnerin erwartet (Angst vor Selbstdarstellung etwa bei Einladungen als verdrängte Schattenrolle), gegen deren Ideen und Planungen er aber dann rebellisch opponieren würde, wenn sie ihn zu sehr beanspruchen (Verfolgerrolle als verdeckte Hauptrolle).

Eine solche Spaltung der Persönlichkeit, die es vielleicht in früheren Jahrhunderten noch nicht gegeben hat, ist für unsere heutige Zeit geradezu typisch. In ihr drückt sich auf der persönlichen Ebene die allgemeine Zerrissenheit bzw. das Spezialistentum einer modernen Gesellschaft aus, was eben symptomatisch für die Dominanz der Wassermann-Energie ist.

Der dämonische Teil eines Menschen muß im Laufe des Lebens durchgearbeitet werden. Das ist allerdings nur möglich, wenn der Mensch seinen leidvollen Lebenserfahrungen nicht aus dem Weg geht. Die neurotischen Rollen wurden in der frühen Kindheit unter Schmerzen erlernt und unter Schmerzen in das Skriptgefüge als verdeckte Hauptrolle bzw. verdrängte Schattenrolle eingesetzt. Sie können deshalb auch nur unter Schmerzen bewußt gemacht, gelockert und zu gesunden Verhaltensweisen weiterentwickelt werden. Dabei muß die verdeckte Hauptrolle gebremst, die verdrängte Schattenrolle hingegen gestärkt werden. Beides geht nur gleichzeitig, weil diese Rollen in Form einer Kompensation miteinander verbunden sind.

Das Skriptgefüge ist wie ein "Fluch", den das Kind in seinem magischen Alter über sich selbst verhängt hat. Später im Erwachsenenleben, muß dieser Fluch erfüllt werden. Dabei tastet sich jedoch der Erwachsene nur sehr vorsichtig an den Grad heran, den er als Kind für seine verdeckte Hauptrolle beschlossen hat. Das ist der Grund, warum sich in Beziehungen die dramatischen Verhaltensweisen immer erst im Laufe der Zeit einstellen. Was am Anfang noch erträglich schien, wird bald zunehmend schwieriger. Der "Fluch" beginnt zu wirken.

Trotzdem muß eine solche Entwicklung positiv gesehen werden. Erst wenn sich der Fluch erfüllt hat, kann er gelöst werden. Es ist Unsinn zu meinen, mit guten Erklärungen könne man dem Menschen helfen, um sein Schicksal herumzugehen. Auch mit astrologischem Wissen ist es nur dann möglich, einen positiven Impuls zu geben, wenn die Situation bereits da ist und die inneren Energien einen Neuanfang als möglich erscheinen lassen.

Der Zusammenbruch eines Psychospiels wird in der TA manchmal ebenfalls als Opfersituation bezeichnet. Besser spricht man aber hier, um sie von der (echten) Opferrolle der Hilfsbedürftigkeit abzugrenzen, von einer Position der Sinnlosigkeit oder der Verzweiflung (vgl. die Position 4 im Nicht-OK-Miniskript von T. Kahler). Sie wird immer von schlechten Gefühlen begleitet und wird bezeichnenderweise von beiden Kontrahenten gemeinsam eingenommen, wobei allerdings zunächst jeder Spieler glaubt, er könne "den anderen zur Verzweiflung treiben", ohne selbst davon betroffen zu werden. Er wird jedoch erleben, daß er sich selbst - wenn auch mit einem gewissen zeitlichen Abstand - ebenfalls in diese Situation hineinmanövriert hat.

V. Der Nutzen meiner Konzeption für die Beratung

Alle Beratung dient letztlich dem Ausstieg aus den neurotischen Lebensrollen und damit dem Aufgeben der Psychospiele. Der vollständige Ausstieg ist meiner Meinung nach aber erst im reifen Lebensalter nach der Lebensmitte möglich. Er besteht darin, die Schieflage der neurotischen Lebensrollen zu überwinden und sich den gesunden Lebensgrundeinstellungen zuzuwenden.

(vgl. das Schaubild Mein Modell der Transaktionsanalyse)

Dazu muß der Mensch begreifen, daß die neurotischen Formen lediglich die Übertreibung von gesunden Möglichkeiten darstellen. Hinter der Retterrolle steckt ein verantwortungsbewußtes helfendes und dienendes Verhalten, das sich nicht aufdrängt und durchaus zusehen kann, wenn andere Fehler machen. Hinter der Verfolgerrolle verbirgt sich eine gut entwickelte Selbstbehauptung und ein ehrgeiziges Bestreben nach Normgebung, das gesellschaftliche Verhältnisse oder einzelne Menschen zwar verbesssern bzw. erziehen möchte, dabei allerdings die Freiheit des Menschen achtet und auf Manipulation und autoritären äußeren Druck bewußt verzichtet. Hinter der Opferrolle kann man ein intuitives träumerisches Verhalten erkennen, das mit der Fähigkeit zur Anpassung und zur Rücksicht die Notwendigkeit anerkennt, die eigenen Stärken um des Ganzen willen nicht um jeden Preis ausspielen zu dürfen. Und hinter der Chaotenrolle steht ein erfinderisches Verhalten der Selbstdarstellung auf unterschiedlichsten Gebieten des Lebens, das verkrustete Strukturen aufbricht und mit schöpferischen Ideen beweist, daß das Leben auch ganz anders als in traditionellen Bahnen möglich ist. Alle vier neurotischen Lebensrollen können demzufolge durchaus als gesunde Lebensgrundeinstellungen gelebt werden, allerdings nur, wenn sie mit der nüchternen Sachlichkeit des Erwachsenen-Ichs verbunden bleiben.

(vgl. das Schaubild Die Balance des gesunden Lebens)

Die Freiheit des Menschen geht aber meiner Meinung nach nicht so weit, daß er sein Skriptgefüge völlig hinter sich lassen kann. Unter Streß wird er auch als gesunder Mensch immer zu den Verhaltensmustern greifen, die hinter seinen Psychospielen als gesunder Kern verborgen liegen. Er muß deshalb vor allem danach streben, den richtigen Platz im Leben zu finden, wo er mit seinem persönlichen Skriptgefüge hingehört.

Meine Konzeption der Verbindung der Astrologie mit der Transaktionsanalyse würde also die Psychologische Astrologie in folgenden Punkten verändern:

Zum Abschluß noch ein letzter Hinweis: Alle diese Veränderungen sind nicht allein durch kluge Beratungen bzw. geschickte Therapiemethoden zu machen. Ich sehe in solchen Bemühungen - wenn sie mit dieser Absicht unternommen werden - geradezu die typische Versuchung der modernen Psychologie. Sie würde damit in ihrer Arroganz und Eigenmächtigkeit nur beweisen, daß sie selbst eben auch im Zeitgeist des Wassermannzeitalters mit seiner Bevorzugung der Rollen der selbstherrlichen Erfindung (Chaotik) und der aggressiven Verbesserung (Verfolgung) stecken geblieben ist, wenn auch auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau.

Verhaltensänderungen gelingen nur, wenn die Zeit im Menschen dafür gekommen ist und die Lebensumstände selbst den entscheidenden Anstoß dazu geben.

Das bedeutet: Ehe ein Ausstieg aus den neurotischen Lebensrollen möglich wird, muß der Mensch oft jahrzehntelang mühselige Erfahrungen mit seinen alten Verhaltensmustern aus der Kindheit gemacht haben. Ohne Frustration und Leid sind grundlegende Verhaltensänderungen nicht möglich. Das liegt letztlich daran, daß die frühkindlichen Skriptentscheidungen tief im Gefühl abgespeichert worden sind, und daß diese Gefühlsbarrieren beim Erwachsenen nur durch ebenso tief reichende Gefühlserfahrungen - eben durch Leid - aufgelöst werden können. Ein Mensch wird sich aber einem solchen Transformationsprozeß nur anvertrauen, wenn er gleichzeitig mit dem Leid auch die Erfahrung mitmenschlicher Liebe macht.

Die Leidfeindlichkeit der modernen Welt als säkularisierter Reflex auf die Leidensmystik der christlichen Religion steht meiner Ansicht nach einer gewünschten Verhaltensänderung oft am meisten im Wege.

Der Ausstieg aus der Schieflage der Neurose, die "Neuentscheidung des Lebensskripts", wie es in einer Schule der Transaktionsanalyse heißt, ist - wenn er gelingt - immer ein Weg, der die gesunden Lebensgrundeinstellungen in eine ausgeglichene Balance bringt und den Menschen zu seinem richtigen Platz im Leben führt. Das gesunde Leben liegt in der Mitte und nicht im Extrem!

Gelingt es dem Menschen, in die Nähe einer solchen Haltung zu gelangen, dann wird er feststellen, daß er nicht nur mit dem Leben besser zurechtkommt, sondern daß sich in ihm gleichzeitig eine innere Tür öffnet, wodurch er Zutritt bekommt zu seinem verborgenen göttlichen Grund. Er erfährt die inwendige Transzendenz, die das letzte Fundament einer jeden Persönlichkeit darstellt. Diese immanente Transzendenz (das Selbst) ist nichts anderes als die Wirklichkeit Gottes selbst im Menschen. Sie ist kein Teil der geschaffenen astrologischen Energien und gehört insofern nicht zum Horoskop. Sie steht gewissermaßen hinter dem Horoskop als sein tragender Grund. Trotzdem wirkt sie sich aber direkt ordnend auf die geschaffene Wirklichkeit aus.

Wenn die Familiensituation die Erklärung dafür ist, warum ein Mensch am Anfang seines Lebens seine Lebensenergien neurotisch verbiegt (Lebensskript), so ist die Anwesenheit Gottes im tiefsten Grund der Seele die notwendige Voraussetzung, um den unauslöschlichen Drang eines Menschen zu verstehen, wieder heil und ganz zu werden.

Damit werden die Persönlichkeitsanteile, wie sie aus dem Horoskop erkannt werden können, bzw. die neurotischen Lebensrollen, wie sie die TA beschreibt, in eine vollständige Harmonie gebracht und gleichzeitig mit dem göttlichen Glanz durchleuchtet, so wie es uns von heiligmäßigen Menschen überliefert ist

(vgl. das Schaubild Die Dynamik des Lebens)

 

Rolf Freitag, Schule für Psychologische Astrologie in Heiligenhaus, 2013

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