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Meine Konzeption: Gestalt-Astrologie

Astrologie & Transaktionsanalyse

Die Energien eines Horoskops werden dem Menschen als Aufgaben geschenkt. Er muß aber selbst dafür sorgen, daß sie gelebt werden, und zwar dort, wo sie bei ihm im Horoskop stehen. Er soll das werden, was er ist. Insofern zeigt ein Horoskop weniger, wie ein Mensch lebt, als vielmehr, wie er leben sollte!

Da die Energien in einem Kreis angeordnet sind, begrenzen sie sich gegenseitig. Es ist also schwierig, allen Energien gleichzeitig gerecht zu werden. Für den Horoskopeigner stellt sich folglich immer die Aufgabe, der Aufforderung seines Horoskops zu folgen und einen Weg in die Mitte zu suchen, weil nur von dort ein Ausgleich zwischen allen Energien möglich ist.

Jeder Mensch hat aber durchaus die Freiheit, diesen Weg nicht oder nur sehr eingeschränkt zu gehen und dabei die Begabungen seines Horoskops mehr oder weniger stark zu verbiegen. 
(vgl. das Schaubild Die Freiheit des Menschen)

Ein solches neurotisches Verhalten betrifft nun nicht nur einzelne Energien, sondern bildet immer eine ganz bestimmte Struktur (Gestalt) des ganzen Horoskops heraus. Das ist der Ansatz meiner Gestalt-Astrologie, die ich unter Verwendung von Erklärungsmustern der Transaktionsanalyse neu entwickelt habe.

Die (teilweise) Verbiegung der Horoskopenergien geschieht am Anfang des Lebens unter dem Einfluß der Familiensituation, und zwar in vier neurotische Grundgestalten, nämlich in die Rollen von Opfer, Retter, Verfolger und Chaot. Jede Rolle drückt dabei immer das ganze Horoskop aus. Das Horoskop muß also auf vierfache Weise gelesen werden! 
(vgl. die Übersicht Der Einfluß der Erziehung)

Astrologisch gesehen entstehen die vier neurotischen Grundgestalten, indem der Horoskopeigner unter (übertriebenem) Neptun- bzw. Uranuseinfluß eine Energie seines Horoskops an die Spitze stellt (Skriptführung) und die übrigen Energien seines Horoskops dieser skriptführenden Energie unterstützend bzw. differenzierend zuordnet. Neptun und Uranus sind gewissermaßen Schalter, mit denen der Horoskopeigner von der einen Rolle auf die andere umschalten kann. 
(vgl. das Schaubild Der Aufbau einer Lebensrolle)

Dabei entsteht unter (übertriebenem) Neptuneinfluß in Verbindung mit den Yang-Energien des Horoskops die Rolle des Opfers, in Verbindung mit den Yin-Energien die Rolle des Retters. Unter (übertriebenem) Uranuseinfluß entsteht in Verbindung mit den Yin-Energien des Horoskops die Rolle des Verfolgers, in Verbindung mit den Yang-Energien die Rolle des Chaoten. 
(vgl. das Schaubild Der Einfluß der Polaritäten)

Mit den neurotischen Lebensrollen wird die Ebene der Sachlichkeit verlassen, für die die Energien von Steinbock (Saturn) und Jungfrau (Chiron) zuständig sind. 
(vgl. das Schaubild Das Drama-Viereck)

Die skorpionische Energie (Pluto) führt zu keiner eigenen Rollenprägung. Sie speichert (zusammen mit der Stier-Energie) die Werte (Bezugsrahmen), auf denen die neptunischen und uranischen Lebensrollen aufbauen und gibt diesen Rollen unter Umständen eine extreme und fanatische bzw. zwangshafte Ausformung. 
(vgl. das Schaubild Saturn und transsaturnale Energien)

Da jeder Mensch sich alle vier Verhaltensmuster aneignet und diese Rollen sich (scheinbar) widersprechen, werden diese schon sehr früh, und zwar aufgrund frühkindlicher Skriptentscheidungen in der Familiensituation (Transaktionsanalyse) in eine entsprechende Rangordnung gebracht, die ich als Skriptgefüge bezeichne. Dabei unterscheiden die Menschen (unbewußt) zwischen einem Normalbereich an der Oberfläche des Lebens und einem Streßbereich unter besonderen Belastungen und ordnen jedem Bereich zwei Verhaltensmuster zu. Sollte eine solche (vorläufige) Ordnung nicht gelingen, hat der betreffende Mensch (durch die ungelösten Widersprüche in seiner Persönlichkeitsstruktur) große Schwierigkeiten im sozialen Zusammenleben.

Jeder Mensch hat im Oberflächenbereich eine Lieblingsrolle als Lock- und Verführungsrolle, die er immer zuerst einsetzt, sei es in der zwischenmenschlichen Begegnung oder bei der Erledigung sachlicher Angelegenheiten, und außerdem eine Verteidigungsrolle zur Unterstützung seiner Lieblingsrolle. Hinter diesen beiden Rollen liegt im Streßbereich als eigentliche Hauptrolle die verdeckte Hauptrolle, die nur zum Einsatz kommt, wenn die beiden Oberflächenrollen zur Lebensbewältigung nicht mehr ausreichen. Die verdeckte Hauptrolle wird immer stark übertrieben verwendet. Sie kompensiert die verdrängte Schattenrolle, die sich ganz im Hintergrund der Persönlichkeit befindet und vor der jeder Mensch eine oft geradezu panische Angst hat. 
(vgl. das Schaubild Die Rangordnung der Lebensrollen)

Bevor ein Horoskop sinnvoll interpretiert werden kann, muß man mit dem Horoskopeigner gemeinsam überlegen, wie sein persönliches Skriptgefüge aussieht. Es muß also geklärt werden, auf welchen Rängen die Rollen von Opfer, Retter, Verfolger und Chaot von ihm gelebt werden. Hierzu muß immer ein längeres Gespräch geführt werden, weil man das Skriptgefüge nicht allein aus dem Horoskop ableiten kann.

Das als Kind beschlossene Skriptgefüge wird vom Erwachsenen zunächst beibehalten (Wiederholungszwang). Die Rollen und das Skriptgefüge sind fixierte Verhaltensmuster, die ohne Rücksicht auf die wirklichen Anforderungen der Realität im Hier und Jetzt zum Einsatz gebracht werden.

Der Horoskopeigner lebt zu Anfang seines Lebens vor allem die beiden Oberflächenrollen (Lock- und Verführungsrolle und Verteidigungsrolle), die im allgemeinen nicht übertrieben eingesetzt werden. Im späteren Verlauf, besonders bei der Aufnahme von Liebesbeziehungen, tastet er sich langsam an seinen Streßbereich heran (verdeckte Hauptrolle und verdrängte Schattenrolle), der dann allerdings auch den Oberflächenbereich mit aus der Balance bringt. Insofern hat nicht nur jede einzelne Rolle, sondern auch das ganze Skriptgefüge eine neurotische Schieflage. 
(vgl. das Schaubild Die neurotische Struktur der Lebensrollen)

Der Ausstieg aus den neurotischen Rollen und dem neurotisch verengten Skriptgefüge ist die Aufgabe eines ganzen Lebens. Sie ist nur durch die Erfahrung von Zuwendung und leidvollen Lebenserfahrungen möglich.

Der Streßbereich muß im Leben durchgearbeitet werden, damit der Mensch zu einem ausgeglichenen Verhalten in allen Lebenssituationen findet und sich am Ende der immanenten Transzendenz, die seinen göttlichen Grund darstellt, überantworten kann.

Der Prozeß der Gesundung kann mit psychologischem und astrologischem Wissen begleitet und erleichtert werden. Hierfür ist es wichtig zu wissen, daß die neurotischen Verhaltensmuster des Horoskops lediglich die Verzerrungen eines gesunden Potentials darstellen. Die gesunden Verhaltensweisen bezeichne ich als Lebensgrundeinstellungen.

Der Rolle des Opfers entspricht die Fähigkeit zur Einfühlung und zum Träumen in Verbindung mit einer großen Bereitschaft zur Anpassung und zur Rücksicht, der Rolle des Retters die Fähigkeit zum Mitgefühl und zur Hilfe, der Rolle des Verfolgers die Fähigkeit zur Normgebung, zur Zielstrebigkeit und zur Veränderung und der Rolle des Chaoten die Fähigkeit zur Erfindung, zur Lebensfreude und zur Selbstdarstellung
(vgl. das Schaubild Die Balance des gesunden Lebens)

Die Ausbildung der gesunden Verhaltensweisen wird dadurch erreicht, daß sich der Horoskopeigner im Laufe seines Lebens immer weniger mit einzelnen Rollen identifiziert. Die Rollen werden allmählich zu einfachen Verhaltensmustern, mit denen der HE gelassen und ganz nach Bedarf auf die unterschiedlichen Anforderungen der Realität im Hier und Jetzt reagiert (Integriertes Erwachsenen-Ich). Um zu dieser Gelassenheit zu finden, ist nach meiner Erfahrung eine religiöse Grundeinstellung unverzichtbar. 
(vgl. das Schaubild Die Dynamik des Lebens)

Die Freiheit des Menschen geht aber meiner Meinung nach nicht so weit, daß der Horoskopeigner sein Skriptgefüge völlig hinter sich lassen kann. Unter Streß wird er auch als gesunder Mensch immer zu dem Verhaltensmuster greifen, das hinter seiner verdeckten Hauptrolle als gesunder Kern verborgen liegt und er wird immer noch seine verdrängte Schattenrolle als eine gewisse Schwäche spüren. Er muß deshalb vor allem danach streben, den richtigen Platz im Leben zu finden, wo er mit seinem Skriptgefüge hingehört. 
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Ich habe bei der Entwicklung meiner Astrologie auf mehrere psychologische Konzepte zurückgegriffen und diese mit astrologischen Vorstellungen in Verbindung gebracht:

Die Rollen sind der Transaktionsanalyse entnommen. Allerdings habe ich das Drama-Dreieck der Transaktionsanalyse um die Rolle des Chaoten zum Drama-Viereck erweitert. 
(vgl. das Schaubild Veränderungen der Transaktionsanalyse)

Die Vorstellung von einer Rangordnung der Rollen habe ich aus der Psychologie C.G. Jungs übernommen, die er auf seine Bewußtseinsfunktionen von Empfindung, Intuition, Denken und Fühlen anwendet.

Die Überlegungen zur Nicht-Identifikation mit den Rollen als Voraussetzung für den Ausstieg aus neurotischem Fehlverhalten decken sich mit Konzepten der Transpersonalen Psychologie (Psychosynthese und Initiatische Therapie Dürckheims) und der christlichen Religion
(vgl. das Schaubild Mein Modell der Transaktionsanalyse)

Ich glaube, daß auf diese Weise eine eigenständige Psychologische Astrologie entstanden ist, die den praktizierenden Astrologen in die Lage versetzt, das menschliche Verhalten besser zu verstehen als es bisher der Fall war. Das wäre dann auch ein Gewinn für die Glaubwürdigkeit der Astrologie. Darüber hinaus werden wichtige humanistische Psychologien (Transaktionsanalyse / Bioenergetik / Psychosynthese) gerade durch astrologische Vorstellungen korrigiert und konkretisiert, was den interdisziplinären Dialog befruchten müßte.

Rolf Freitag, Schule für Psychologische Astrologie in Heiligenhaus, 2011
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